Improvisation und Abschluss / Improvisation and closure

 

What does «finding closure» mean? «Improvisation sometimes leads to wonderful closures that are so clear and natural, as if composed. However, groups often find it difficult to find a common, natural ending. Some group improvisations seem «frayed» because there’s no agreement on when to end it.»

 

Bernhard Maurer’s (Grundlagen der Improvisation – Basics of improvisation, 2018) description of what to pay attention to when «coming to a closure» is pretty spot on:

 

«Eye contact or even giving a clear sign can help with coming to an agreement. Some of the group will have to adapt to the other ones’ timing. You can’t generalize the length of a piece of music. It depends on the concept – how much time does an idea need to develop – and on the situation – how much space and time does a group have for its improvisation. Generally it’s a good idea to have the courage to restrict oneself, whilst knowing there’s so much more to be said. This is especially the case with many ensembles playing one after the other in the same room. Trying to take the «first ending» that offers itself can be a helpful task for groups.»

 

In an interesting and splendidly worded article on the same topic, Reinhard Gagel (Exploratorium Berlin, see last newsletter) says: ««Aufhören» – «stopping» in German – is a curious word for coming to a closure, and it says so much: it means we need to listen very precisely («aufhorchen») but at the same time we then need to stop listening («aufhören zu hören»).» (Reinhard Gagel, Sich begegnen beim Improvisieren – Meeting with improvisation, in the magazine Rhythmik, Musik und Bewegungspädagogik – Rhythm, music and movement pedagogy, Nr. 34, December 2018).

 

I am fascinated by what we can express through language if we pay very close attention to the meaning of each word. In German, «to listen» («hören») is part of many words and can mean many different things: «to belong to» («gehören»), «outrageous» («unerhört»), «impertinent» («ungehörig») … Our sense of hearing resonates in all these words. It’s the first sense that develops in a foetus, it is connected to our deepest, inner selves. Body rhythms such as heartbeat, breathing, digestion as well as external sounds such as a mother’s voice are the first sounds a foetus hears.

We often register everyday sounds as intrusive noise, and don’t realise their variety until we find a silent moment in which we can appreciate our surroundings as sound. This creates a stimulating space in which we can connect to our inner hearing experience. This is why silence is so important to us at Music for People, it is our best friend. It makes it possible to carefully perceive our surroundings as living silence, draw from it and find our way back to it – even more so when we need to end an improvisation.

 

Haven’t you ever been so engrossed in your own performance, you downright missed the ensemble’s closure? As was said by Reinhard Gagel: listening is important. At best, listening involves your fellow players and yourself. However, this can only happen if you let go of intrusive thoughts and you manage to immerse yourself in the moment. In that sense, I wish you powerful improvisations and: release!

 

André Renold

Was bedeutet eigentlich einen Schluss finden? «Manchmal gibt es wunderbare Schlüsse von Improvisationen, die so klar und natürlich sind, als wären sie komponiert. Oft fällt es Gruppen aber auch schwer, ein natürliches gemeinsames Ende zu finden. Manche Gruppenimprovisationen wirken etwas «ausgefranst», weil man sich nicht einig ist, wann es zu Ende ist."

Bernhard Maurer beschreibt (Grundlagen der Improvisation, 2018) sehr schön, worauf wir uns zum Thema "einen Schluss finden", achten können:

 

"Auch hier können Blickkontakt oder auch mal ein deutliches Zeichen helfen, sich zu einigen, und die eine muss sich auch mal dem Timing der andern unterordnen. Wie lange ein Stück sein soll, kann nicht generell festgelegt werden. Es hängt vom Konzept ab, wie viel Zeit eine Idee braucht, um sich zu entwickeln, und es hängt von der Situation ab, wie viel Raum, bzw. Zeit sich eine Gruppe lassen kann für ihre Improvisation. Grundsätzlich ist der Mut zur Begrenzung in den meisten Fällen sinnvoll, auch im Wissen, dass es noch vieles zu sagen gäbe, insbesondere dann, wenn viele Gruppen in einem Raum der Reihe nach spielen. Eine hilfreiche Aufgabenstellung für Gruppen ist, darauf zu achten, den «ersten Schluss» zu ergreifen, der sich anbietet.»

 

In einem spannenden und trefflich formulierten Artikel schreibt Reinhard Gagel (Exploratorium Berlin, siehe letzter Newsletter) zum selben Thema: «Aufhören ist ein seltsames Wort für beenden und sagt aber viel aus: wir müssen auf-hören, d.h. genau und besonders hören (aufhorchen) und wir müssen dann unser hören beenden (aufhören zu hören).» (Reinhard Gagel, Sich begegnen beim Improvisieren, Zeitschrift Rhythmik, Musik und Bewegungspädagogik, Nr. 34, Dezember 2018).

 

Ich bin immer wieder aufs Neue fasziniert, was sich in der Sprache alles ausdrückt, wenn wir uns achtsam auf die Bedeutung der einzelnen Worte einlassen. Das Wort hören kommt in verschiedensten Worten vor, z.B. gehören, unerhört, ungehörig … immer steckt der Hörsinn darin. Der Hörsinn ist der erste Sinn, der sich im Fötus entwickelt. Auch deshalb ist er mit unserem tiefsten Inneren verbunden. Als erstes hört der Fötus ja die Körperrhythmen Herzschlag, Atmung, Verdauung und auch äussere Geräusche, wie die Stimme der Mutter.

 

Die Vielfalt der Alltagsgeräusche, die wir oft auch als störenden Lärm wahrnehmen, offenbart sich uns am ehesten in stillen Momenten, in denen wir unsere Umgebung als Klang wahrnehmen. Dadurch entsteht Raum, der uns anregt, uns mit unserem inneren Hörerlebnis zu verbinden. Deshalb ist die Stille, deine beste Freundin, bei Music for People so wichtig. Sie ermöglicht dir, achtsam die Umgebung als lebendige Stille wahrzunehmen, aus ihr heraus zu schöpfen und immer wieder zu ihr zurückzufinden. Das gilt noch verstärkt, wenn es darum geht, eine Improvisation zu beenden.

 

Ist es dir nicht auch schon passiert, dass du so in dein eigenes Spiel vertieft warst, dass du glatt den Ensemble-Schluss verpasst hast? Wie Reinhard Gagel sagt, ist es ganz wichtig, aufzuhorchen. Im besten Fall richtet sich das Aufhorchen genau so gut auf die Mitspielenden, wie auf dich selbst. Dies kann nur gelingen, wenn du störende Gedanken loslassen und ganz in den Moment eintauchen kannst. In diesem Sinne wünsche ich dir viele kraftvolle Improvisationen und RELEASE!

 

 

André Renold

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